»daz sie alle di Judenhauser [...] brechen můgen und sullen «. Nürnberg zur Zeit des Schwarzen Todes

Kleybolte, Franziska

Research article (book contribution)

Abstract

" Franziska Kleybolte greift in ihrem Beitrag über die kulturellen Folgen der Pestkatastrophe in der Reichsstadt Nürnberg die Legende ebenfalls auf, zeigt aber, wie diese in den bereits existierenden antijüdischen Feind - seligkeiten aufging. Wie Bubert und Scholz weist sie darauf hin, dass von Brunnenvergiftern bereits Jahrzehnte vor dem ›Großen Sterben‹ durch die Seuche die Rede gewesen war, und zwar in Bezug auf die Lepra. Die Legende ve rmengte sich in der Folge mit anderen antijüdischen Ressentiments und mündete 1349/50 in Gewalt gegenüber der jüdischen Gemeinde in der von der Pest heimgesuchten fränkischen Reichsstadt. Dabei wäre es Aufgabe des Kaisers und des Nürnberger Stadtrats gewes en, die Juden vor Übergriffen zu schützen, was in den Jahrzehnten zuvor auch der Fall gewesen war. Bei dem Pogrom im Dezember 1349 mit rund 500 jüdischen Opfern verhielten sich die Obrigkeiten jedoch auffallend passiv. Besonders Kaiser Karl IV. (1316 – 1378) , der in Nürnberg verschiedentlich Residenz nahm, kam seiner offiziellen Funktion als Schutzherr der Juden nicht nach. Im Gegenteil, der Herrscher hatte den Nürnbergern sogar eine Art Freibrief erteilt: Übergriffe auf Hab und Gut, Leib und Leben der Juden sollten nicht geahndet werden. Und mehr noch: Nach dem Pogrom gelangten die jüdischen Immobilien auf Geheiß des Kaisers in städtischen Besitz und wurden zu Markplätzen umgestaltet. Aus der Synagoge wurde wiederum die Frauenkirche. Diese wies allerdings kei ne der im Spätmittelalter üblichen judenfeindlichen Bildwerke wie die ›Judensau‹ auf. Womöglich war diese ›Leerstelle‹ ein Versuch, die Erinnerung an die Nürnberger Juden überhaupt verblassen zu lassen, was aber nicht gelang. Schon bald nach dem Pogrom keh rten Überlebende zurück, was auch im Interesse des Kaisers an der Wieder - aufnahme von Schutzgeldzahlungen lag. Die dezimierte Gemeinde wurde allerdings an den Rand der Stadt gedrängt und 1499 erneut aus der Stadt vertrieben. Kleybolte zeigt, dass die Legen de von der Brunnenvergiftung und die Suche nach Sündenböcken für die Pest beim Nürnberger Pogrom so gut wie nicht zu greifen war. Deutungskonkurrenzen gab es nicht. Die Vertreibung der Juden zur Aneignung ihres Besitzes war längst ausgemachte Sache, bevor dies nach dem Abebben der Pest in der Reichstadt in die Tat umgesetzt wurde." (Bubert und Krischner, in: ibid., S. 22)

Details zur Publikation

Book title: Zwischen Gottesstrafe und Verschwörungstheorien. Deutungskonkurrenzen bei Epidemien von der Antike bis zur Gegenwart
Release year: 2023
ISBN: 9783593514246
Language in which the publication is writtenGerman
Event: Frankfurt/New York