Steuern durch Übersetzen: Formen lokaler Bewältigung politisch-gesellschaftlicher Dilemmata der Flüchtlingsintegration (SdÜ)

Basic data for this project

Type of project: Individual project
Duration: 01/10/2016 - 30/09/2019

Description

Das Forschungsprojekt hat das Ziel, auf der Grundlage qualitativer Fallstudien in zwei Erstaufahmeeinrichtungen und in zwei zentralen Unterbringungseinrichtungen in NRW die Formen und Praktiken der lokalen Bewältigung von spezifischen Dilemmata der Flüchtlingsintegration zu analysieren. Im Mittelpunkt der Analyse stehen sowohl (seitens der Aufnahmeeinrichtungen) organisationale als auch (seitens der Notzugewanderten) milieuspezifische Bewältigungsformen und –praktiken. Im Austausch mit den beteiligten Akteuren, Institutionen und Organisationen sollen sukzessive Regulationsinstrumente entworfen werden, die eine flexible und effiziente Implementation allgemeiner Regelungen der Aufnahme von Notzugewanderten, einem wesentlichen Aspekt des politischen Ziels einer gelingenden „Flüchtlingsintegration“, ermöglichen. Tragend für die theoretische Herangehensweise wie auch für das methodische Design ist die sowohl differenzierungstheoretisch begründete als auch empirisch erprobte Ausgangshypothese, dass AE als Spezialfall komplexer Übersetzungsverhältnisse zwischen Institutionen, Behörden, Initiativen und lokalen Akteuren vor dem politisch-gesellschaftlichen Grunddilemma einer flexiblen und individuell angemessenen Situationsbewältigung einerseits und der Einhaltung rechtlich kohärenter Verfahren und politisch legitimer Zielsetzungen andererseits stehen. Daraus können folgende Annahmen abgeleitet werden, die als Leitfaden der Analyse dienen: 1) Die in Aufnahmeeinrichtungen und in ihrem Umfeld beteiligten Organisationen haben abfedernde, umdeutende, improvisierende und inkrementalistische Formen und Praktiken der lokalen Bewältigung solcher Dilemmata entwickelt, die weder hinreichend erforscht noch für die politische Planung als Erfahrungsbasis verfügbar sind, sodass sie zur Optimierung der Implementationseffizienz bzw. des Krisenmanagements nicht genutzt werden können. 2) Notzugewanderte werden durch teils widerstreitende Anforderungen zu Identitätsdiffusionen und -Dissimulationen motiviert, sodass entgegen der eigentlichen Zielsetzung einer gelingenden „Flüchtlingsintegration“ diasporische Formen von (Integrations-abträglichen) Vergemeinschaftungen (desperate Milieus) entstehen und unterstützt werden können. Bislang unzureichend berücksichtigt ist dabei die Ebene der interkulturellen Kommunikation, die das Projekt zunächst als Form der Milieugrenzen-erhaltenden und -überschreitenden Kommunikation kennzeichnet. 3) Die komplexen Übersetzungsverhältnisse zwischen den beteiligten sozialen Ordnungsebenen können weder in reinen top-down noch in bottom-up-Beziehungen angemessen analysiert werden. Vielmehr ist die der jeweiligen (situativen und situationstranszendierenden) Grenzerhaltung und Grenzüberschreitung dienliche Übersetzungspraxis dieser Ordnungsebenen zu berücksichtigen, deren Analyse über latente, teils unintendierte Funktionen von zwar eingespielten, aber zunächst intransparenten Formen und Praktiken der lokalen Bewältigung Aufschluss gibt. Damit geht das Projekt über eine bloße oberflächliche Bestandsaufnahme der kommunalen Integrationspraxis zum Beispiel in Form misslingender oder fehlgeleiteter Praxis der programmatischen Umsetzung von Steuerungszielen hinaus. Entgegen der Annahme, dass sich die Flüchtlingsintegration von einer Instanz steuern lasse, kann so gezeigt werden, dass die faktische Steuerungspraxis aus einer Vielzahl von komplexen, widersprüchlichen und unintendierte Nebenfolgen produzierenden Übersetzungen besteht. Zu den Untersuchungsebenen im Einzelnen: 1) Die Übersetzung von Rechtsordnungen sowie Direktiven und Programmen der Flücht-lingspolitik (wie Dublin III, das Programm der freiwilligen Rückkehr, das „Asylverfah-rensbeschleunigungsgesetz“, das Asylpaket II) in die lokalen Bedingungen und Lagen der Organisationen von Aufnahmeeinrichtungen, 2) die Übersetzung zwischen den AE und Organisationen und Akteuren in ihrem lokalen Umfeld (Ausländerbehörden, Außenstellen des BAMF, Asylverfahrensberatung, Asylbe-gehrenden, Lokalbevölkerung, Kommunalpolitik), 3) die Übersetzung zwischen verschiedenen kulturellen Horizonten der beteiligten Personen und der beteiligten Milieus („interkulturelle Kommunikation“ und „Kulturalisierung“ von Konflikten).

Keywords: Übersetzen; Flüchtlingsintegration; Migrationssoziologie; Flüchtlingsforschung