EXC 212 D2-10 - Gewalterfahrung und göttliche Rache. Religionsgeschichtliche und rezeptionshermeneutische Analysen alttestamentlicher Klagen

Grunddaten zu diesem Projekt

Art des Projektes: Teilprojekt in DFG-Verbund koordiniert an der Universität Münster
Laufzeit: 01.11.2012 - 31.12.2018 | 1. Förderperiode

Beschreibung

Klagetexte begegnen im Alten Testament in sehr verschiedenen Formen und mit ganz unterschiedlichen Inhalten. Für das Projekt sind besonders die Klagen des einzelnen Beters im Psalmenbuch und das Ijobbuch im Blick. Während die ältere Forschung diese Texte vor allem gattungsgeschichtlich bearbeitet hat, haben sich in jüngerer Vergangenheit andere, oft die Individualität der Texte stärker berücksichtigende Ansätze als fruchtbar erwiesen. Gewalt- und Leiderfahrungen gehören untrennbar zur menschlichen Existenz und werden in biblischen Klagen in Auseinandersetzung mit Gott reflektiert und so religiös gedeutet. Im Fragehorizont von Religion und Politik sind diese Klagen deshalb besonders interessant, weil im Psalmenbuch nirgends so klar wie hier die politisch-soziale Situation des betenden Ich mit der religiösen Dimension der Gebetssprache verschränkt ist und weil Ijobs Klagen gerade auch in Auseinandersetzung mit den „Freunden“ sein religiös gedeutetes Leid in ausgesprochen „politischen“ Kategorien (z.B. Rechtsstreit, soziale Isolation, Gott als Feind) darstellen. Die Thematik der Gewalt kann in diesen Texten in ganz verschiedenen Dimensionen begegnen. Einerseits geht es um die Erfahrung von Leid, die als physische Gewalt von Menschen, die Folge von Flüchen oder auch als Gewalthandeln Gottes selbst – unter Umständen durch menschliche Agenten – gedeutet werden kann. Andererseits kann Gott im Sinne der Verteidigung und Vergeltung zu einem Gewalthandeln an menschlichen Feinden aufgefordert werden. Klagepsalmen und die Klagen des Ijob verweisen damit auf verschiedene Arten, Gott Gewalt zuzuschreiben, die religionsgeschichtlich zu differenzieren und in ihrer Eigenart ohne falsche Apologetik theologisch zu bearbeiten sind. Sowohl die Psalmen als auch Ijob sind biblische Bücher, die zu allen Zeiten im Christentum intensiv rezipiert worden sind. Für die Psalmen gilt das auch für das Judentum. Bereits in der ersten Projektphase hat sich gezeigt, dass etwa die kollektive Klage Ps 79 über die Vermittlung der Makkabäerbücher in einer religiösen Rhetorik der Gewalt integriert werden konnte, die im Kontext der Kreuzzüge sehr wirkungsvoll geworden ist. Vergleichbares ist von den hier behandelten Texten zu erwarten, deren Wirkungen im Judentum (Talmud, Midraschim, mittelalterliche Kommentare) und Christentum rezeptionshermeneutisch untersucht werden sollen.

Stichwörter: Gewalterfahrung; göttliche Rache