Potentiale verlängerter schulpraktischer Aufenthalte – Ein systematisches Review und Befragung Studierender und Lehrender (Potentiale)

Grunddaten zu diesem Projekt

Art des Projektes: Eigenmittelprojekt
Laufzeit: 01.01.2018 - 31.12.2019

Beschreibung

Praktika im Umfang von zehn Wochen oder mehr an Schulen sind in elf Bundesländern mittlerweile für alle oder einzelne Lehramtsstudiengänge obligatorisch (vgl. KMK, 2017). Solchen verlängerten Praxisaufenthalten - auch als Praxissemester, Kernpraktikum oder Praxisblock bezeichnet - werden zahlreiche Potentiale zugeschrieben, wobei insbesondere die Möglichkeit der Verknüpfung von Theorie und Praxis als Begründung für die Einführung dieser strukturellen Maßnahme dient (vgl. z.B. Cramer, 2014). Darüber hinaus lassen sich verschiedene Schwerpunkte in den Zielen feststellen, die seitens der Bundesländer verabschiedet wurden. Schließlich wurden insbesondere in den letzten Jahren zahlreiche empirische Studien zur Wirkung des Praxissemesters (z.B. auf Kompetenzüberzeugungen der Studierenden) vorgelegt (z.B. Rothland & Schaper, 2018), die sich auf Modelle wie beispielsweise das „Angebot-Nutzungsmodell von Praktika in der Lehrerbildung" von Hascher und Kittinger (2014) beziehen. Bislang existiert kein nationaler Überblick über die Potentiale, die verlängerten schulpraktischen Aufenthalten in der Lehrerbildung seitens der wissenschaftlichen Community zugeschrieben werden. Zudem ist offen, welche dieser Potentiale bereits einer empirischen Überprüfung unterzogen wurden. Der Beitrag legt daher ein systematisches Review zur Identifikation von Potentialen verlängerter schulpraktischer Aufenthalten in der Lehrerbildung vor. Folgende Fragestellungen sollen beantwortet werden: (1) Welche Potenziale werden verlängerten schulpraktischen Aufenthalten im Lehramtsstudium in der wissenschaftlichen Community zugeschrieben? (2) Welche Potentiale verlängerter schulpraktischer Aufenthalte wurden bislang empirisch untersucht und zu welchen Argumenten lassen sich Forschungsdesiderata identifizieren? Ein systematisches Review sammelt alle verfügbaren Studien zu einer Fragestellung (Cooper, 2010). Mithilfe einschlägiger Datenbanken wurde daher unter Nutzung der Schlagworte „Praxissemester", „Praxisblock", „schulpraktische Phase", „verlängerte Praxisphasen" und „Langzeitpraktika" veröffentlichte Studien als auch zur Frage 1 Überblicks- und Diskussionstexte identifiziert und in die Analyse aufgenommen, sofern sie mindestens ein Argument enthalten und sich auf den deutschen Kontext beziehen. Der Beginn der Recherche wurde auf das Jahr 2000 festgelegt, dem Jahr der Veröffentlichung der Expertise „Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland" herausgegeben von Ewald Terhart (2000), in der die von der Kultusministerkonferenz eingesetzte Kommission u.a. auf die Kritik eines unzureichenden Verhältnisses von Theorie und Praxis im Lehramtsstudium antwortet (vgl. ebd., S. 107). Anstatt berufspraktische Routinen aus dem Referendariat vorwegzunehmen, sollen „schulpraktische Studien [im Studium] u.a. zu einem kompetenteren Umgang mit Theorie, Empirie und Praxis befähigen" (ebd., S. 108). Das Ende der Recherche wurde auf Mitte August 2018 festgelegt. Auf dieser Grundlage konnten 71 Texte einbezogen werden. Insgesamt 40 empirische Studien liegen vor, die für die Frage 2 Berücksichtigung fanden. Nach der Auswahl der Texte und Identifikation relevanter Textstellen wurden eine Qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2016) durchgeführt und ein Kategoriensystem zu den Potentialen erstellt, welches die Grundlage für die Systematisierung der empirischen Studien darstellt. Das Ergebnis der Kodierung zeigt (Frage 1), dass in der einschlägigen Literatur zu verlängerten schulpraktischen Aufenthalten die folgenden Hauptargumente bzw. Potentiale aufgeführt werden: Kompetenzerwerb im Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren (vgl. KMK, 2014) sowie Planungskompetenz, Kooperations- und Reflexionsfähigkeiten. Weitere induktiv gewonnenen Kategorien sind das Praxiserleben, das Forschende Lernen, die Harmonisierung der 1. und 2. Phase, einen Beitrag zur Studienmotivation leisten, die Möglichkeit der Theorie-Praxis-Verknüpfung, die Reflexion der Berufswahl, das Kennenlernen des Tätigkeitsfeldes, die soziale Eingebundenheit sowie das Erleben positiver Emotionen. Die Vermittlung von Kompetenzen und Theorie-Praxis-Verknüpfung wurden am häufigsten als Argument angeführt, gefolgt von der Reflexion der Berufswahl sowie dem Forschenden Lernen. Mit Blick auf die Frage 2, welche Potentiale bereits in der Praxis erforscht wurden, zeigt sich, dass die Überprüfung von Kompetenzen am häufigsten Ziel empirisch untersucht worden sind und bis auf eine Studie (König & Rothland, 2018) auf der Selbsteinschätzung von Studierenden basieren, gefolgt von der Reflexion der Berufswahl. Die in der Literatur relativ häufig angebrachten Potenziale einer Theorie-Praxis-Verknüpfung, des Kennenlernens des Tätigkeitsfeldes und des Forschenden Lernens sind bislang kaum überprüft worden, so dass sich vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse ein Forschungsdesiderat benennen lässt.

Stichwörter: Praxissemester; Lehrerbildung; Systematisches Review