Bilderverbot und Götzendienst. Zum Verständnis des „Bilderverbots“ in Texten des hellenistisch-frührömischen und des rabbinischen Judentums, mit einem Blick auf den archäologischen Befund

Doering Lutz

Forschungsartikel (Buchbeitrag)

Zusammenfassung

Der Beitrag weist auf die enge Verbindung von ‚Bilderverbot‘ und Fremdgötterverbot im antiken Judentum hin, die bereits im Dekalog selbst angelegt ist. Er bespricht zunächst die Behandlung des ‚Bilderverbots‘ bei Philon von Alexandrien und Flavius Josephus sowie den Befund archäologischer Zeugnisse bis zum Bar-Kochba-Aufstand. Tendenziell ist hier eine Zurückhaltung bei der Darstellung von Tieren und Menschen zu beobachten, v.a. um deren Anbetung zu verhindern. Ein absolutes Bilderverbot ist aber nicht belegt, und es finden sich auch durchaus einzelne Darstellungen von Tieren und sogar Menschen, was auf soziale und ideologische Unterschiede im Judentum der hellenistisch-frühr.mischen Zeit hindeutet. In den rabbinischen Texten wird noch stärker auf das Moment der Verehrung rekurriert: Den tannaitischen Quellen (v.a. Mischna und Tosefta Avoda zara) zufolge sind solche Bilder zur Nutzung verboten, die ‚verehrt werden‘. Die Gegenwart von Bildern, selbst Götterbildern, in öffentlichen Räumen, die nicht ihrer Verehrung dienten, ist unproblematisch, wie die berühmte Anekdote über Rabban Gamli’el im Bad der Aphrodite in Akko verdeutlicht, wonach die Aphrodite-Statue als bloße ‚Zierde‘ gilt. Dem korrespondiert der archäologische Befund: Spätestens seit dem frühen 3. Jh. sind Tierbilder auf Türstürzen von Synagogen erhalten, bald darauf finden sich Menschendarstellungen z.B. auf Synagogen-Mosaikböden, schließlich auch Darstellungen von Helios und Quadriga. Erst in späteren Zeugnissen (beginnend mit dem Babylonischen Talmud) finden sich Verbote der Darstellung etwa des Mondes sogar zur Zierde und sind im archäologischen Befund ‚ikonoklastische‘ Interventionen erkennbar. The article points to the close connection between the ›prohibition of images‹ and the prohibition of idolatry in ancient Judaism, which had already been established in the Decalogue itself. First, the treatment of the ›prohibition of images‹ in Philo of Alexandria and Flavius Josephus is discussed, followed by a treatment of the archaeological evidence up to the Bar Kokhba revolt. A reluctance to depict animals and humans can be observed here, especially in order to prevent their being worshipped. However, there is no absolute prohibition of images, and the archaeological evidence also yields individual depictions of animals and even humans which points to social and ideological differences in the Judaism of the Hellenistic-Early Roman period. The rabbinic texts refer even more strongly to the aspect of worship: according to Tannaitic sources (above all, Mishnah and Tosefta Avodah zarah), using those images that are ›worshipped‹ is forbidden. The presence of images, even images of gods, in public spaces not designed for their worship is unproblematic, as the famous anecdote about Rabban Gamli’el in Aphrodite’s bath in Akko illustrates, according to which the statue of Aphrodite is considered to be a mere ›ornament‹. The archaeological evidence seems to correspond to this: from the early 3rd century at the latest, one finds animal images preserved on lintels of synagogues, followed soon afterwards by human depictions, e.g. on synagogue mosaic floors, and finally also depictions of Helios and the Quadriga. Only in later witnesses (beginning ith the Babylonian Talmud) do we find prohibitions to depict, for example, the moon even as an ornament, and ›iconoclastic‹ interventions are discernible in the archaeological evidence.

Details zur Publikation

Herausgeber*innen: Delgado Mariano, Leppin Volker
Buchtitel: Bilder, Heilige und Reliquien. Beiträge zur Christentumsgeschichte und zur Religionsgeschichte
Veröffentlichungsjahr: 2020
Verlag: Schwabe; Kohlhammer
Sprache, in der die Publikation verfasst istDeutsch
Veranstaltung: Basel; Stuttgart