Best, Alexander
Qualifikationsschrift (Dissertation, Habilitationsschrift)Lehrervorstellungen (teachers’ beliefs) rücken zunehmend in den Forschungsfokus der Fachdidaktiken, Bildungswissenschaften und benachbarten Disziplinen. Sie gelten als bedeutsames, kognitiv-affektives, mentales Merkmal, welches auf die Wahrnehmung und Handlungsweise von Lehrpersonen wirkt. Lehrervorstellungen scheinen somit Einfluss auf den Lehr-Lernprozess sowie das den Schülerinnen und Schülern vermittelte Bild des Unterrichtsfaches (philosophy oder nature of the subject), dessen Bezugswissenschaften und des Lehrerberufes (apprenticeship of observation) zu haben. Lehrervorstellungen werden deshalb in mehreren Studien des nationalen und internationalen Bildungsmonitorings mit unterschiedlichen Messmodellen erhoben sowie untersucht und sind Bestandteil verschiedener Kompetenzmodelle zur Lehrerprofessionalität. Darüber hinaus existieren zahlreiche empirische und theoretische Arbeiten, die sich mit Eigenschaft, Entstehung, Entwicklung, Funktion, Veränderbarkeit, Wirkung etc. von Lehrervorstellungen auseinandersetzen. Auch die Fachdidaktik Informatik widmet sich seit einigen Jahren u. a. den Vorstellungen von Informatiklehrpersonen an weiterführenden Schulen. Die zunehmenden Bestrebungen, informatische Bildung auch in der Grundschule und der nicht-institutionellen Bildung im Primarbereich zu verankern, geben Anlass zur Frage, über welche Vorstellungen zur Informatik und zum Informatikunterricht Grundschullehrpersonen verfügen. Dieses Desiderat wurde bislang weder national noch international dezidiert in den Fokus der Forschung genommen. Es existieren nur wenige Arbeiten, die zudem auf sehr spezifische, meist epistemologische, Vorstellungen beschränkt sind. Entsprechende Erkenntnisse könnten wertvolle Impulse für Konzepte zur Lehrerbildung liefern, die in einem bottom-up-Verfahren entwickelt werden und die Voraussetzungen der Lehrperson berücksichtigen. Die vorliegende Arbeit nähert sich dem Forschungsgegenstand über drei Zugänge. (1) Die explizit-bewussten Vorstellungen von Lehrpersonen werden eingangs über leitfadengestützte Einzelinterviews (n1=10) erfasst. (2) Implizit-unbewusste Vorstellungen werden mittels Beobachtungsprotokollen erhoben. Hierzu unterrichten die Lehrpersonen (n2=3) unter Hospitation des Forschers selbstständig informatische Unterrichtsbausteine - kurze Unterrichtseinheiten im Umfang von 90–180 Minuten. Diese werden dazu in Kooperation mit Lehrpersonen entwickelt, erprobt, evaluiert und adaptiert, um die Praxistauglichkeit für den Grundschulunterricht zu gewährleisten. Das Ergebnis sind drei Unterrichtsbausteine: (I) „Programmieren lernen mit dem Bee-Bot® – Wir steuern die Roboterbiene“, (II) „Verschlüsseln und Entschlüsseln – Wie geheim sind Geheimbotschaften?“ sowie (III) „Programmieren lernen mit Scratch® – So kreativ ist Informatik“. (3) Abschließend werden mögliche Vorstellungsänderungen (conceptual changes) und -beständigkeiten bzw. -resilienzen (belief perseverance oder conceptual conservatism/robustness) mittels erneuter leitfadengestützter Einzelinterviews (n3=3) erhoben. Ziel des Forschungsvorhabens ist eine Theoriegenese, welche Grundlage für nachfolgende testtheoretische Arbeiten sein kann. Hierfür werden auf die Forschungsstile der Grounded Theory (GT) sowie des Design-Based Research (DBR) zugegriffen. Es werden Erkenntnisse und Beiträge aus den Bildungswissenschaften und benachbarten Fachdidaktiken herangezogen, um die erhobenen Vorstellungen von Grundschullehrpersonen zur Informatik und zum Informatikunterricht in die interdisziplinäre Lehrervorstellungsforschung einordnen zu können.
Best, Alexander | Professur für Didaktik der Informatik (Prof. Thomas) |