Demmrich, Sarah
Forschungsartikel (Zeitschrift)
Der Psychologe Traugott Konstantin Oesterreich (1880–1949) gilt mit seinem Interesse an religiösen Erfahrungen als einer der Pioniere der Kultur- und Religionspsychologie. Neben Glossolalie (Zungenrede) und parapsychologischen Phänomenen (z. B. Geistererscheinungen) behandelte er ganz zentral Besessenheitszustände. In seinen früheren Werken geht er – in Anlehnung an französische Psychopathologen wie Pierre Janet – von einer Persönlichkeitsspaltung aus, die der Besessenheit zugrunde läge. Mit dieser bricht Oesterreich jedoch auf Basis seiner Einsichten zur Phänomenologie des Ich und belegt inDie Besessenheit(1921) anhand zahlreicher internationaler Dokumente seine These der Besessenheit als zwangs- und gefühlsmäßigen Imitationszustand, wobei dissoziative Zustände nicht nur Ursache (z. B. Depersonalisation, Derealisation), sondern auch Folge des Besessenheitsanfalls seien (z. B. Amnesie). Oesterreichs Studie zur Besessenheit bleibt gerade im Kontext einer erhöhten Nachfrage an Exorzismen in einigen europäischen Ländern hochrelevant. Heutige Studien zur Besessenheit betonen negative Auswirkungen von Exorzismen für die psychische Gesundheit von Menschen mit dissoziativen Störungen. Aus diesem Grund sollte es Anliegen zukünftiger Forschung sein, therapeutische Modelle weiterzuentwickeln, die stärker auf die Zusammenarbeit zwischen Psychotherapeuten und unterstützenden Seelsorgern abzielen.
Veröffentlichungsjahr: 2020
Sprache, in der die Publikation verfasst ist: Deutsch
Link zum Volltext: https://link.springer.com/article/10.1007/s43638-020-00004-6?wt_mc=Internal.Event.1.SEM.ArticleAuthorOnlineFirst&utm_source=ArticleAuthorOnlineFirst&utm_medium=email&utm_content=AA_en_06082018&ArticleAuthorOnlineFirst_20200725