Problemskizze Bei der religionsgeschichtlichen Einordnung einzelner neutestamentlicher Motive und Traditionen spielen die lokalen Gegebenheiten im Heiligen Land häufig keine Rolle. Stattdessen werden literarische und archäologische Parallelen sowie religionsgeschichtliche Hintergründe meist ganz unabhängig von ihrer möglichen eigenen Ortsgebundenheit und lokalen Begrenztheit namhaft gemacht. Dabei nehmen die einzelnen Texte des Neuen Testaments nicht nur allgemein auf die hellenistisch-römische Religion Bezug, sondern tun dies in Aufnahme und Absetzung von vor Ort konkret vorfindlicher religiöser Praxis. Dies gilt literarisch auf der Binnenebene der Texte, insoweit diese die Geschichte der Jesusbewegung und der frühen christlichen Gemeinden in bestimmte geographische Landschaften einordnen, die ihr je eigenes, damals bekanntes Gepräge der Religionsausübung aufweisen. Es gilt aber auch für die Herkunft der Texte selbst, die zum Teil und meist implizit Hinweise auf das nähere Umfeld ihrer Entstehung geben. In Bezug auf die jüdische Religionspraxis wird diese geographische Komponente der religionsgeschichtlichen Forschung seit längerem berücksichtigt (z.B. der Unterschied zwischen dem Land Israel und der Diaspora oder zwischen dem religiösen Zentrum Jerusalem und der Peripherie Galiläa), im Blick auf die pagane Frömmigkeit und ihre Kulte wird sie dagegen bisher stark vernachlässigt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass eine leicht zugängliche und handhabbare Topographie der paganen Kulte im Heiligen Land für die Hand des Neutestamentlers fehlt. Als Folge davon werden z.B. die verstreut publizierten Ergebnisse der Archäologie eher zufällig rezipiert. Ziele An herausragenden Beispielen werden mögliche Interferenzen zwischen paganem Kult im Heiligen Land und neutestamentlichen Traditionen untersucht. Ziel ist es, nach und nach eine Topographie der paganen Kulte im Heiligen Land in der hellenistisch-römischen Zeit für die Hand des Neutestamentlers zu erstellen. Gleichzeitig werden mögliche Verbindungen zum Neuen Testament aufgezeigt und die bisherige Forschung zu einzelnen Fragekomplexen aufgearbeitet.
Eisele, Wilfried | Professur für Zeit- und Religionsgeschichte des Neuen Testaments (Prof. Eisele) |